IRGENDWO, IRGENDWANN

Versuchen Sie eine andere Zeit, ein anderes Leben. Wer sich wegträumt, erlebt manchmal mehr.

IRGENDWO, IRGENDWANN

Es war ein warmer Sommerabend, und Emily und ich lagen auf der Terrasse der Universität, um eine Pause von unserem Studium zu machen. Wir schlossen die Augen und stellten uns vor, wir wären in einer wärmeren, größeren Stadt, würden in einem Park lesen und dann tanzen gehen. Wir liebäugelten beide mit dem Gedanken, jemand anders zu sein, irgendwo anders.

“Es ist schön, wenn man sich einen Dreck um die Gegenwart schert”, sagte Emily. “Der gedankliche Bezug auf das Früher und Später oder auf das, was sich zeitlich gar nicht einordnen lässt, kann uns kreativ machen und uns schweben lassen.”

Ich nickte zustimmend. “Das Jetzt ist nicht immer da, um genossen zu werden: Sehnsucht ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens und eine Überlebensstrategie, wenn es uns schlecht geht.”

Wir wussten beide, dass die Gegenwart nicht immer angenehm war und dass es manchmal notwendig war, in die Vergangenheit oder die Zukunft zu flüchten. Wir wussten auch, dass der Druck, immer den Augenblick zu genießen, überwältigend sein kann.

“Während der Lernphase haben meine Freundin Emily und ich eine Pause eingelegt”, sagte ich. “Es war ein grauer Tag und wir legten uns auf den Steinboden auf der Universitätsterrasse. Emily und ich schlossen die Augen und stellten uns vor, wir wären irgendwo anders. In einer größeren Stadt, in einer wärmeren Stadt als Berlin. In einem Park, wo wir lesen und über das Gelesene reden würden. Abends würden wir uns indonesisches Essen in Einwegboxen holen und dann tanzen gehen.”

Emily lächelte. “Es ist gut zu wissen, dass wir mit diesen Gefühlen nicht allein sind. Manchmal ist es in Ordnung, sich einen Dreck um die Gegenwart zu scheren und sich einen anderen Ort vorzustellen.”

Wir wussten beide, dass der Druck, immer den Augenblick zu genießen, erdrückend sein konnte, aber wir wussten auch, dass die Gegenwart nicht immer dazu da war, genossen zu werden. Manchmal war es notwendig, in die Vergangenheit oder in die Zukunft zu flüchten, sich nach etwas anderem zu sehnen, kreativ zu sein und sich treiben zu lassen.

SOMEWHERE, SOMETIME

Try a different time, a different life. Those who dream away sometimes experience more.

It was a warm summer night, and Emily and I were lying on the university terrace, taking a break from our studies. We closed our eyes and imagined ourselves in a warmer, bigger city, reading in a park and then going dancing. We both flirted with the idea of being someone else, somewhere else.

“It’s nice to just give a fuck about the present,” Emily said. “The mental reference to the earlier and later or to that which cannot even be placed in time can make us creative and allow us to float.”

I nodded in agreement. “The now isn’t always there to be enjoyed: longing is an essential part of being alive and a survival strategy when we’re feeling bad.”

We both knew that the present wasn’t always enjoyable, and that sometimes it was necessary to escape to the past or the future. We also knew that the pressure to always enjoy the moment could be overwhelming.

“During the learning phase, my friend Emily and I took a break,” I said. “It was a gray day and we lay down on the stone floor on the university terrace. Emily and I closed our eyes and imagined ourselves somewhere else. In a bigger city, in a warmer city than Berlin. In a park where we would read and talk about what we read. In the evening we would get Indonesian food in disposable boxes and then go dancing.”

Emily smiled. “It’s good to know that we’re not alone in feeling this way. Sometimes it’s okay to just give a fuck about the present and imagine ourselves somewhere else.”

We both knew that the pressure to always enjoy the moment could be overwhelming, but we also knew that the present wasn’t always there to be enjoyed. Sometimes it was necessary to escape to the past or the future, to long for something else, to be creative and allow ourselves to float.

Last Updated on February 11, 2024
by DaF Books

Der tanzende Schatten

Wir waren jung und neugierig, und das führte uns zu den verbotenen Toren des Friedhofs auf dem Hügel. Es war Mitternacht, und die Welt war still und dunkel. Nur mein Herz hämmerte in meiner Brust wie ein Trommelwirbel.

Wir betraten den Friedhof, voller Mut und Übermut. Unsere Schritte hallten laut in der Stille, wie eine Gotteslästerung.

Plötzlich sahen wir sie im Nebel: Skelettartige Gestalten, in zerfetzten Leichentüchern gehüllt. Sie tanzten einen makabren Walzer im Mondlicht, ihre knochigen Finger kratzten an den verwitterten Grabsteinen.

Wir waren wie gelähmt vor Angst. Wir konnten uns nicht bewegen, nur zusehen.

Die Gestalten tanzten immer näher. Ihre leeren Augen starrten uns durch und durch. Wir spürten den kalten Hauch des Todes.

Dann, so plötzlich wie sie erschienen waren, verschwanden sie wieder im Nebel. Zurück blieben nur die Stille und die kalte Angst in unseren Knochen.

Wir rannten davon, so schnell wir konnten. Der kalte Schauer der Angst war noch immer da, trotz der warmen Nachtluft.

Wir hatten gelernt: Manche Türen bleiben besser verschlossen. Manche Grenzen sollte man nicht überschreiten.

Der gespenstische Walzer auf dem Friedhof auf dem Hügel verfolgt mich noch immer. Er ist eine grimmige Erinnerung an das Makabre, an das Reich jenseits des Schleiers.

Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. An die knöchernen Gestalten und ihren makabren Tanz. An die kalte Angst, die uns in den Knochen steckte.

Es ist eine Erinnerung an die Macht der morbiden Neugier. Und an die schrecklichen Folgen, die sie haben kann.

The Ghostly Waltz

We were young and curious, and that led us to the forbidden gates of the cemetery on the hill. It was midnight and the world was silent and dark. Only my heart was pounding in my chest like a drum roll.

We entered the cemetery, full of courage and exuberance. Our footsteps echoed loudly in the silence, like a blasphemy.

Suddenly we saw them in the mist: skeletal figures wrapped in tattered shrouds. They danced a macabre waltz in the moonlight, their bony fingers scratching at the weathered gravestones.

We were paralysed with fear. We couldn’t move, we could only watch.

The figures danced closer and closer. Their empty eyes stared us through and through. We felt the cold breath of death.

Then, as suddenly as they had appeared, they disappeared again into the mist. All that remained was the silence and the cold fear in our bones.

We ran away as fast as we could. The cold shiver of fear was still there, despite the warm night air.

We had learnt that some doors are better left closed. Some boundaries should not be crossed.

The ghostly waltz in the cemetery on the hill still haunts me. It is a grim reminder of the macabre, of the realm beyond the veil.

I still get goosebumps today when I think about it. Of the bony figures and their macabre dance. Of the cold fear that was in our bones.

It’s a reminder of the power of morbid curiosity. And of the terrible consequences it can have.

Last Updated on February 11, 2024
by DaF Books