Land in Sicht

Land in Sight

Wochen, vielleicht sogar Monate waren vergangen. Lisa und Ben hatten den Überblick über die Zeit verloren. Eines Morgens weckte sie ein lauter Schrei von Ben.

“Land!”, rief er aufgeregt und deutete mit dem Finger in die Ferne.

Lisa sprang auf und riss sich die Sandkörner aus den Augen. Tatsächlich! Am Horizont zeichnete sich ein verschwommener grüner Streifen ab. Land!

Hoffnung flammte in ihren Herzen auf. Mit vereinten Kräften versuchten sie, das Floß in Richtung der Küste zu lenken.

Als sie näher kamen, erkannten sie, dass es sich um eine kleine, felsige Insel handelte. Die Brandung schlug wild gegen die Klippen.

“Anlegen wird schwierig”, murmelte Ben.

Sie verbrachten den ganzen Tag damit, Vorräte für die Landung vorzubereiten. Ben füllte ihre verbliebenen Trinkflaschen mit dem restlichen Wasser aus dem Auffangbehälter. Lisa packte die Erste-Hilfe-Kästen, die Wolldecken und die verbliebenen Lebensmittel in die Jutesäcke.

Schließlich wagten sie den Sprung ins Wasser. Die Strömung riss sie hin und her, aber mit aller Kraft kämpften sie sich an den Strand.

Erschöpft, aber glücklich, fielen sie in den nassen Sand. Die Insel war zwar klein und felsig, aber zumindest waren sie nicht mehr auf dem endlosen Meer verloren.

Ben erkundete die Umgebung. Mit dem Spaten grub er ein kleines Loch in den weichen Boden und sammelte darin Regenwasser, das sich in den Blättern der wenigen Büsche gesammelt hatte.

“Nicht viel”, murmelte er, “aber immerhin etwas.”

Mit der Säge hackte er Äste von den Bäumen ab, um ein Feuer zu machen. Lisa flickte mit Nadel und Faden ein Loch in ihrer Hose.

Als die Flammen tanzten, betrachtete Lisa die Insel mit gemischten Gefühlen. War es ein Paradies oder ein Gefängnis?

Plötzlich stieß Ben einen erstickten Schrei aus. In seiner Hand hielt er eine rostige Metallfalle.

“Tierfallen”, murmelte er ernst. “Wir sind hier nicht allein.”

Ein kalter Schauer lief Lisa über den Rücken. Waren sie auf dieser einsamen Insel etwa nicht die einzigen Überlebenden?

Misstrauen und Bündnisse

Distrust and Alliances

Wochen der Unsicherheit vergingen. Lisa und Ben teilten sich die Insel widerwillig mit den Neuankömmlingen. Max, Sarah und Tom waren zwar gute Fischer und Jäger, aber ihr Verhalten blieb misstrauisch.

Nachts flüsterten sie oft hinter vorgehaltener Hand und betrachteten Lisa und Ben mit argwöhnischen Blicken.

Eines Abends fasste sich Lisa ein Herz. “Was wollt ihr eigentlich?”, fragte sie Max offen.

Max zuckte mit den Schultern. “Überleben”, antwortete er knapp. “Genau wie ihr.”

“Aber warum all das Misstrauen?”, hakte Ben nach.

Max schwieg, dann zog er Sarah beiseite und sprach leise mit ihr. Sarah nickte und ging zu ihrem Zelt.

Kurz darauf kam sie mit einer Tasche zurück und warf sie vor Lisas Füße. Darin lagen die Marmeladengläser, die sie einst am Strand gefunden hatten.

“Ihr habt uns ausspioniert”, stellte Lisa fest.

Sarah schwieg.

“Wir haben nur sichergehen wollen”, murmelte Max. “Ihr seid die ersten Menschen, die wir seit Monaten gesehen haben. Man weiß ja nie.”

Lisa und Ben tauschten einen Blick aus. Sie verstanden zwar das Misstrauen, aber die ständige Spannung war zermürbend.

“Wie wäre es mit einem Kompromiss?”, schlug Ben vor. “Wir teilen uns die Insel und die Aufgaben, aber jeder behält seinen eigenen Bereich.”

Max und Sarah überlegten kurz. “In Ordnung”, sagte Max schließlich.

Am nächsten Tag begannen sie, die Insel neu aufzuteilen. Ben nutzte die restlichen Metallplatten und den Kompass, um eine provisorische Sonnenuhr zu bauen. So konnten sie die Zeit besser einteilen.

Mit dem Segeltuch und den Stahlresten bastelte er außerdem einen kleinen Windschutz für ihr Feuer. Lisa half Sarah beim Fischen, während Tom mit den Jumper-Kabeln und dem Kerosene versuchte, den Außenbordmotor des Floßes wieder zum Laufen zu bringen.

Die Zusammenarbeit war zwar angespannt, aber effektiv. Langsam kehrte ein bisschen Normalität in ihr Leben auf der Insel zurück.

Abends saßen sie oft gemeinsam am Lagerfeuer und erzählten Geschichten aus ihrer Vergangenheit. Doch trotz der entspannteren Atmosphäre blieb ein Rest von Misstrauen hängen.

In den trüben Murmeln, die Sarah und Max manchmal betrachteten, schien sich immer noch ein Geheimnis zu verbergen. Was würden die nächsten Tage auf der einsamen Insel bringen? Würden sie Verbündete oder Feinde bleiben?