Auf der staubigen Ebene, wo einst prächtige Wälder standen, stolperten Finn und Lara durch die ausgedörrte Landschaft. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Hunger quälte ihre leeren Mägen. “Essen hält Leib und Seele zusammen”, murmelte Finn, ein altes Sprichwort, das ihm sein Großvater einst erzählt hatte. Er erinnerte sich kaum an die Zeit vor der Großen Katastrophe, als bunte Pflanzen wuchsen und Nahrung im Überfluss vorhanden war.
Plötzlich blieb Lara stehen. Ihre Augen weiteten sich. Hinter einem rostigen Metallzaun lugte ein Fleck saftiges Grün hervor. Vorsichtig pirschten sie näher. “Erdbeeren?”, flüsterte Lara ungläubig. Reife, rote Früchte prangten zwischen den staubigen Blättern. Sie sahen aus wie aus einer anderen Welt.
Misstrauisch betrachteten sie die Pflanzen. Waren sie etwa vergiftet? Hatte die Strahlung sie ungenießbar gemacht? Der Hunger nagte an ihnen. Finn pflückte vorsichtig eine Beere und hielt sie Lara hin. Sie zögerte, dann biss sie hinein. Saft explodierte auf ihrer Zunge. Es war der süßeste Geschmack, den sie jemals gekostet hatte.
Finn zögerte nicht länger. Er pflückte eine Handvoll Beeren und verschlang sie gierig. Ein wohliger Strom zog durch seinen Körper. Er fühlte sich gestärkt, aber auch seltsam. Bilder blitzten vor seinen Augen: grüne Wiesen, hohe Bäume, ein kristallklarer Fluss. Wo hatte er das alles schon einmal gesehen?
Lara starrte ihn mit großen Augen an. “Finn, ich erinnere mich an etwas”, sagte sie langsam. “An eine Zeit, bevor alles kaputt war. An…” ihre Stimme stockte. “An Wasser, das nicht aus dreckigen Tanks kommt. An Bäume, die Schatten spenden.”
Finn nickte. Auch er hatte diese vergessenen Erinnerungen. Es war, als ob die Beeren ein Tor zu einer verlorenen Welt geöffnet hätten. Sie verbrachten den Rest des Tages damit, Erdbeeren zu essen und sich gegenseitig ihre wiederkehrenden Erinnerungen zu erzählen.
Doch mit den Erinnerungen kamen auch Schmerzen. Bilder von Feuer und Explosionen brandeten sich in ihre Gehirne. Sie sahen Menschen, die vor einer unsichtbaren Gefahr flohen. Es waren schreckliche Bilder, die sie am liebsten wieder vergessen wollten.
Am nächsten Morgen wachten sie mit klaren Köpfen auf. Die Erinnerungen an die Katastrophe waren weg. Nur das Gefühl von Angst und Verzweiflung blieb zurück. Sie blickten auf den leeren Erdbeerstrauch. Verflucht seien sie, dachten sie. Sie hatten die Wahl gehabt: die Erinnerungen behalten oder vergessen und weiterleben.
Sie machten sich wieder auf den Weg, ziellos durch die trostlose Landschaft wandernd. Hunger nagte erneut an ihren Mägen. In der Ferne sahen sie eine Rauchsäule aufsteigen. Waren das andere Überlebende? Hoffnung keimte in ihnen auf.
Doch als sie näher kamen, erstarrten sie zu Eis. Die Rauchsäule kam nicht von einem Lagerfeuer, sondern von einem riesigen Gebäude aus Metall und Glas. Ein Gebäude, das in ihren wieder aufgetauchten Erinnerungen eine schreckliche Bezeichnung hatte: Gen-Labor.
Was hatte man dort erforscht? Und was hatte die Katastrophe ausgelöst? Hatten die Erdbeeren etwa mit den Experimenten zu tun? Fragen über Fragen schossen ihnen durch den Kopf. Sie wussten jetzt, dass sie die Wahrheit herausfinden mussten, koste es, was es wolle.
Mit schweren Herzen, aber voller Entschlossenheit, gingen sie auf das Gebäude zu.
Vokabelliste
- staubig (adjective) – dusty
- Ebene (noun) – plain
- prächtig (adjective) – magnificent
- Katastrophe (noun) – catastrophe
- hervorlugen (verb) – to peek out
- rostig (adjective) – rusty
- Metallzaun (noun) – metal fence
- ungläubig (adjective) – unbelieving
- reif (adjective) – ripe
- Saft (noun) – juice
- Zunge (noun) – tongue
- Strom (noun) – current
- wohlig (adjective) – pleasant
- seltsam (adjective) – strange
- Wiese (noun) – meadow
- Schatten (noun) – shade
- dreckig (adjective) – dirty
- Tank (noun) – tank
- Feuer (noun) – fire
- Explosion (noun) – explosion
- unsichtbar (adjective) – invisible
- verflucht (adjective) – cursed
- ziellos (adjective) – aimless
- trostlos
Last Updated on March 22, 2024
by DaF Books